Die Bewaffung
Das Fort als bloßes Bauwerk zu betrachten, wäre unvollständig. Vielmehr lässt sich der gesamte Komplex nur als Waffensystem begreifen. Die Bewaffnung bildete den Kern, um den alle anderen Funktionen gruppiert worden sind. Wie die ursprüngliche Bewaffnung des Forts in Gorgast ausgesehen hat, lässt sich heute nicht mehr nachvollziehen. In den Archiven findet man keine Aufzeichnungen mehr. Lediglich eine allgemeine Zusammenstellung der Bewaffnung der gesamten Festung Küstrin aus dem Jahre 1914 ist noch vorhanden.
Danach zählten zur Bewaffnung der Küstriner Vorwerke 12- und 9 cm- Kanonen. Die kleineren Kanonen (die sogenannten ''kurzen'' Kanonen) waren vorwiegend zum Schutz der sogenannten „Zwischenfelder“ (Zwischenräume zwischen den einzelnen Werken) gedacht, während die ''längeren'' auch bis ins Vorfeld des Forts feuern konnten.
Vergleicht man diese Kanonen mit in dieser Zeit auf anderen Festungen gebräuchlichen, so handelte sich hier wahrscheinlich um sogenannte Positionsgeschütze. Das hier abgebildete (?) Kaliber 12 cm aus dem Jahre 1877 feuerte seine etwa 16 Kilogramm schweren Geschosse bis zu 8 Kilometer weit. Eine 9cm–Kanone (Muster 1879) mit einer 7-Kilogramm-Kugel brachte es auf etwa 7 Kilometer. Zu den ''kurzen'' Kanonen könnten auch ausgemusterte 9cm- Feldgeschütze mit einer Reichweite von 3 bis 4 Kilometern gezählt haben, die bereits in den 60er Jahren des XIX. Jahrhunderts verwendet wurden. Diese veraltete Bewaffnung, die den Anforderungen eines modernen Feldheeres nicht mehr genügte, war damals für zweitrangige Festungen wie die Küstriner typisch.
In älteren Forts wurden manchmal noch veraltete Geschütze genutzt, die teilweise mit Schwarzpulver arbeiteten. In dem sie zum einen in speziell vorbereiteten Stellungen und in größerer Anzahl einsetzte, versuchte man die geringe Schussfolge und Manövrierfähigkeit dieser Kanonen auszugleichen. Auch mithilfe eines sogenannten Vorholers oder ähnlicher Zusatzeinrichtungen gelang es teilweise, die Defizite der veralteten Geschütze wettzumachen.
Die großen Artillerieforts der meisten erstrangigen Festungen hatte man inzwischen zu Infanteriestützpunkten umfunktioniert, wogegen das Fort Gorgast mit seiner universellen Ausrichtung sowohl als Infanterie- als auch als Artilleristischen Stützpunkt veraltet war. Welche Rolle das Grogaster Fort zu Beginn des I. Weltkrieges 1914 in Rahmen der Küstriner Festungsanlage tatsächlich gespielt haben mag, ist unklar. Seine Lage, die veraltete Bauweise, seine Struktur und die Bewaffnung lassen aber vermuten, dass es im Krieg höchstens als Hilfsstellung der Artillerie genutzt werden konnte.
Ursprünglich war das Fort Gorgast als eine selbständige Sperrfestung geplant worden.
Egal wo feindliche Einheiten also in die Umgebung des Vorwerkes eindringen würden, war der Artilleriewall so ausgerichtet, dass aus dem Fort in alle Himmelsrichtungen gefeuert werden konnte. Von Nachteil war jedoch, dass aufgrund der Anzahl und Verteilung der Geschützstellungen die Feuerkraft ungleichmäßig stark verteilt war. Entsprechend den zu erwarteten Angriffsrichtungen konnten auf dem Frontabschnitt des Artilleriewalls theoretisch bis zu 16 Kanonen positioniert werden, die entlang der Werkachse und der beiden benachbarten Verkehrsachsen (Chaussee, Eisenbahnlinie) schießen konnten. Zu den Flanken hin nahm jedoch die Feuerkraft rapide ab, so dass es hinter der Werkskehle Geländeabschnitte gab, die höchstens noch von 4 Kanonen gesichert werden konnten. Anhand der Listen und von Vergleichen mit ähnlichen Vorwerken kann man davon ausgehen, dass es auf dem Artilleriewall in Gorgast etwa 30 Stellungen für Kanonen gab. Tatsächlich war deren Anzahl vermutlich aber kleiner, und lag höchstens bei 18 bis 24 Rohren.
Die Geschütze konnten dabei zwischen den einzelnen Stellungen frei bewegt werden, wodurch besonders gefährdete Abschnitten schnell und gut abgesichert werden konnten.
Die Hauptaufgabe des Forts bestand darin, mit seiner Artillerie den Feind im westlichen Vorfeld der Festung Küstrin rasch anzugreifen. Außerdem sorgte es für eine starke Nahverteidigung und die Absicherung der Sturmfreiheit.
Am Fuße des Artilleriewals sowie entlang der vorstehenden „Bastionen'' erstreckte sich eine ausgedehnte und verwickelte Linie von Infanteriestellungen, von denen aus sich das nähere Umfeld des Werkes lückenlos beschießen ließ. Die Feuerkraft der Schützengruppen konnte durch leichte Revolverkanonen verstärkt werden. Ihre verdeckten, zum Flankenbeschuss des Grabens eingerichtete Stellungen, sind durch charakteristische niedrige Abschnitte in der Brustwehr markiert. Sie befinden sich an den Flanken der vorderen ''Bastionen'' und in der Kehle beiderseits des Torhauses. Die Aufschüttungen an den beiden hinteren ''Halbbastionen'' sorgten für zusätzliche Geschützstellungen – ähnlich wie bei den niedriger aufgeschütteten Artilleriestellungen reichte die Lauftrommel der auf einer niedrigen Räderlafette montierten Kanone über die niedrigere Brustwehr. Bei diesen Geschützen handelte es sich um handbetriebene Vorläufer moderner automatischer Kanonen, wie sie heute in Flugzeugen, Hubschraubern und auf Schiffen eingesetzt werden.
Sie besaßen eine für damalige Verhältnisse recht hohe Schussfolge (etwa 100 Schuss pro Minute) und hatten im Vergleich zu Infanteriegewehren auch den Vorteil, dass sie mit ihren starken 3,7 cm-Geschossen jedes Sturmgerät (Behelfsbrücke, Leiter etc.) schnell gebrauchsunfähig schießen konnten. Die in den 80er Jahren des XIX. Jahrhunderts gebräuchlichste Artilleriemunition war die Granate. Sie bestand aus einer Sprengladung, die von einem starken Metallmantel umschlossen und mit einem Aufschlagzünder versehen war. Beim Aufprall explodierte sie und ein Splitterhagel wurde verstreut. Auf kürzere Entfernungen (400 bis 500 m) wurden zur Sturmabwehr auch Kartätschen verschossen. Sie bestanden aus in einer Blech- oder Holzdose verpackten Kugeln, die als Kugelhagel verstreut wurden. Bis zum Ende des XIX Jahrhunderts verschwanden jedoch diese Geschosse fast völlig aus den Munitionsdepots und wurden durch das weit präzisere und effektivere Schrapnell ersetzt. Ein Zeitzünder brachte die in einem Rohr auf der Geschossachse angebrachte Sprengladung zu einem vorher eingestellten Zeitpunkt zur Explosion.
Die Kugeln sowie die Splitter des Mantels zerstreuten sich dann kegelartig. Schrapnells wurden zur Bekämpfung „ungedeckter lebendiger Ziele“ eingesetzt. Ihr einziger Nachteil: Sie hatten nur eine beschränkte Reichweite. Im Laufe der Zeit wurde effektivere Munition entwickelt, die die Eigenschaften der Granate und des Schrapnells verbanden. Als Beispiel sei hier das deutsche Schrapnell „C 73“ genannt, dessen Reichweite etwa 3,5 bis 4 Kilometer betrug. Bis 1914 konnte die Reichweite dann fast verdoppelt werden.
Den Eigentümern der rund um das Fort gelegenen Grundstücke wurden bei der Bewirtschaftung gewisse Beschränkungen auferlegt, um die nähere Umgebung des Forts ''schussklar'' zu halten. So durften im Umkreis des Forts grundsätzlich keine soliden Bauwerke errichtet werden, und bereits bestehende wurden gegen Entschädigung abgerissen.
Ist das wichtig, zu wissen? Charakteristisch ist, dass ihre Ausdehnung dem technischen Stand der Artillerie aus der Zeit, als das Festungsrayon-Gesetz in Kraft getreten ist (nach 1870), entsprach.