Die Lage
Wer von Berlin aus nach Polen gelangen möchte und dafür den Grenzübergang in Küstrin nutzt, der fährt auf der etwa 20 Kilometer langen Route zwischen Seelower Höhen und Kostrzyn durch eine flache, fast karge Landschaft. Lange Baumreihen säumen die Landstrasse, es gibt nur wenige Ortschaften und Gehöfte.
Bei Küstrin vereinigen sich im Urstromtal die von Osten her kommende Warthe und vom Süden die Oder, um dann gemeinsam weiter nach Nordwesten zu fließen.
Etwa 6 Kilometer vor Küstrin wird der Reisende auf der Bundesstraße 1 nach der Straßenkreuzung in Manschnow in nördlicher Richtung einen Schornstein bemerken, der zu einer Industrieanlage gehört. Gleich daneben liegt ein flacher, ausgedehnter und von Bäumen bewachsener Hügel, der nicht so recht in diese flache Landschaft hineinpassen will.
Ein Blick aus der Vogelperspektive lässt unter den Baumkronen eine labyrinthartige Anlage erkennen, die mit Erde bedeckt worden ist, und die von einem geometrisch angelegten Wassergraben umgeben ist. Und jeder wird sofort erkennen: Dies ist kein Werk der Natur, diese Anlage ist von Menschenhand angelegt worden.
Wer schon einmal auf einem alten Stadtplan einen, aus den charakteristischen fünfeckigen ''Bastionen'' bestehenden Befestigungsgürtel gesehen hat, wird den Sinn dieser Anordnung sofort erkennen: Obwohl die an den Ecken der Anlage hervorragenden ''Bastionen'' uns heute wohl weniger archaisch als vielmehr etwas futuristisch vorkommen, lässt sich doch aus ihrer Anordnung das Prinzip der gegenseitigen Deckung deutlich ablesen. Bei genauerem Hinsehen wird der Betrachter feststellen, dass manche dieser Erdaufschüttungen imposante Bauten überdecken.
Betritt der Reisende nun diese eigenartige Anlage durch den Eingang an deren östlicher Seite, gelangt er, vorbei an mehreren Gebäuden aus der jüngeren Vergangenheit, zu einem einzeln stehenden Bauwerk aus roten Ziegelsteinen. Seine Form und einige historisierende Baudetails weisen darauf hin, dass es sich hier um einen preußischen Festungsbau aus dem 19. Jahrhundert handelt. Es ist das Fort Gorgast, das 1883-1889 erbaute detaschierte Werk der ehemaligen Festung Küstrin.
Dieses Werk diente als permanente, sturmfreie Batterie, und ermöglichte den darin stationierten Geschützen eine hohe Treffgenauigkeit noch auf Entfernungen bis zu 7 oder 8 Kilometer. Die flache Landschaft des Oderbruchs konnte von dem künstlich aufgeschütteten Hügel bestens eingesehen und damit auch strategisch beherrscht werden. Die Landschaft bot noch einen weiteren Vorteil: Viele kleine Flüsse und Meliorationskanäle durchschnitten die Landschaft, was jeden Angreifers, der sich mit schwerem Gerät (z.B. Belagerungsartillerie) abseits der Straßen näherte, auf seinem Vormarsch erheblich behinderte. Die Alte Oder, die die Landschaft einige hundert Meter westlich des Werkes vom Süden nach Norden durchschneidet, bildete das größte Hindernis. Zumal sie dann auch noch von dem vorgeschobenen Werk flankiert wurde.
Das Fort diente hauptsächlich der Bekämpfung der schweren Artillerie des Feindes, wenn der sich von Westen her der Küstriner Festung näherte. Das Vorwerk sollte einen Angreifer am Beschuss des Festungskernes hindern, sowie die wichtigsten Zufahrtstrassen absichern, die zu den innerhalb der Festung gelegenen Oder- und Warteübergänge führten. Das Werk wurde so angelegt, um einen potentiellen Feind daran hindern, die günstigsten Wege zu benutzen. Die Anlage ist nach Osten hin ausgerichtet und soweit im Uhrzeigersinn gedreht, dass die Hauptkraft des Artilleriefeuers des Forts entlang der Eisenbahnlinie Berlin - Küstrin lag. Östlich des Forts bildet die Oder einen gegen Osten anspringenden Bogen. Gorgast liegt auf der Sehne dieses Bogens, sodass rund um das Werk platzierte Kampfmittel auf jeden einwirken konnten, der sich Zugang zum Fluß verschaffen wollte. Insbesondere konnte dadurch auch die Strasse, die von der Kreuzung Manschnow nach Frankfurt führt, unter Beschuss genommen werden.
Die Geschichte und Funktionsweise des Bauwerkes lässt sich bis heute nur lückenhaft rekonstruieren. Viele Fakten fehlen noch, weil bisher kaum Archivmaterial über das Fort in Gorgast zu finden ist. Es bleibt zu hoffen, dass weitere Studien mehr Licht in das Dunkel bringen werden. Die hier präsentierten Ergebnisse bieten lediglich einen Ansatz für weitere Forschungen.